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Bibliographic data

Alazard, Joëlle; Lécureuil, Delphine: Le monde, l'Europe, la France (1850 - 1945). Histoire 1, L/ES/S. Paris: Nathan, 2007, 228–229.

"Die französischen Kolonien und der Große Krieg"


[S. 228]

Dokumente

Die französischen Kolonien und der Große Krieg

  • Wie hat der Erste Weltkrieg die Beziehungen zwischen Frankreich und seinem Reich verändert?

Während des Ersten Weltkriegs stellte das französische Reich dem „Mutterland“ ein Kontingent von mehr als 600.000 Männern zur Verfügung. Ein weiterer Beitrag der Kolonien bestand daraus, Arbeitskräfte und Rohstoffe bereitzustellen. Auch wenn die Ereignisse bei den Kolonien eine gewisse Solidarität mit der Metropole erzeugten, nährte der Krieg ebenfalls Bestrebungen nach mehr Menschenwürde und Gleichheit. Zugleich erzeugten die Kontakte zwischen den Kolonialtruppen, den anderen Einsatzkräften 1 und den Zivilisten bestimmte Vorurteile.

[S. 228, linke Spalte]

[Schwarz-Weiß-Plakat. Ein Reiter in einem wehenden Gewand galoppiert und schwenkt eine große Fahne. An den Seiten sind zwei große Palmen und auf dem Grund Kakteen.]

[Text im Bild:] DAS VERDANKEN WIR unseren KOLONIEN

Vor dem Krieg verstand keiner die Notwendigkeit Frankreichs an Kolonien oder Protektoraten.

Jetzt wissen wir alle, was wir den Tausenden von indigenen Freiwilligen verdanken, die für das geliebte Frankreich mit so viel Mut kämpften wie die Franzosen selbst, oder im Hintergrund wertvolle Dienste geleistet haben.

Wir wissen alle, in welch ungeheuren Mengen unsere afrikanischen , asiatischen , amerikanischen und ozeanischen Besitzungen uns ihre Erzeugnisse geschickt haben: ohne sie wäre unsere Versorgung sehr viel schwieriger gewesen.

Mit gemeinsamen Bemühungen wird die gemeinsame Zuneigung noch wachsen.

[Bildunterschrift] 1 „Das verdanken wir unseren Kolonien“

Plakat von Victor Prouvé, 1918.

[S. 228, rechte Spalte]

[Postkarte, Schwarz-Weiß-Foto eines Asiaten in Arbeitskleidung, der vor einer Werkbank steht]

[Text im Bild] Tho Kháeh tieén trái phá (Lyon)

[Text in asiatischen Schriftzeichen]

[Bildunterschrift] 2 Indochinesischer Arbeiter, der einer Waffenfabrik in Lyon zugeteilt ist.

Postkarte, ca. 1917.

[S. 229, linke Spalte]

[Bildüberschrift] 3 Der „Wilde“ und der „gute Arbeiter“

[Überschrift im Bild] a. Die Vorurteile bei der Begegnung mit senegalesischen Soldaten

Karikatur aus Bécassine von J. Pinchon, 1919.

[Schwarz-Weiß-Karikatur, ein Mann mit dunkler Hautfarbe, in Pluderhosen, mit Stiefeln und einem Hut auf dem Kopf, steht vor einer Frau, die ein Kleid mit Schürze und eine Haube trägt. Er ist etwas gekrümmt, hält sich den Bauch, hat den Mund geöffnet und zeigt mit dem Finger darauf. Sie weicht etwas zurück, lehnt an einen Tisch, von dem eine Flasche herunterfällt und sieht ihn an. Im Hintergrund sind Männer zu sehen, die die Szene beobachten.]

[Text im Bild:] „Er ist in den Speisesaal eingetreten, wo ich sein Gedeck vorbereitet habe. Und auf einen Schlag schreit er: Boubouf , rollt mit den Augen, klappert mit dem Kiefer und sieht wild drein! … Die anderen schienen entsetzt; sie sagten mir: „Er möchte essen; bedient ihn schnell; er hat seinen Anfall…

[Quellenüberschrift] 4 Zwischen zwei Gefühlen

[Textquelle]

a. Von der Hoffnung…

B laise Diagne 2 tauchte auf (…).Der führende schwarze Kopf des Parlaments sprach in Dakar wie überall sonst Französisch. Man hörte ihm andächtig zu. Seine leidenschaftlichen Reden 3 erweckten die Herzen und entflammten den Mut. Er verstand es, an das Ehrgefühl der Afrikaner zu appellieren, ihnen zu zeigen, dass Frankreich, in seinem Herzen von Barbaren angegriffen, sie brauchte – magische Worte, von einem von ihnen ausgesprochen, den sogar die Weißen ehrten! Man sprach auch von der Gewährung der französischen Staatsbürgerschaft. Mehr brauchte es nicht. Massen von Jugendlichen sagten sich von allem los, um sich zum Militärdienst zu melden. 4 Das Ziel, für das der senegalesische Abgeordnete mit dieser Mission betraut worden war, war auf einem guten Weg, Realität zu werden: eine intensive Rekrutierung zu bewerben, unter Vermeidung von Aufruhr und den dazugehörigen Revolten. (…)

b. … zur Enttäuschung

Als diese Soldaten ins Land zurückkamen, erzählten sie bei den Zusammenkünften alles, was sie gesehen hatten. Nein, der weiße Mann war kein Übermensch, der von einem unbekannten göttlichen oder teuflischen Schutz profitierte, er war ein Mensch wie sie, mit den gleichen Anteilen an Qualitäten und Fehlern, Stärken und Schwächen. Und als sie feststellten, dass ihre Medaillen und ihre Veteranentitel ihnen eine Pension einbrachten, die halb so niedrig war wie diejenige der weißen Kameraden, mit denen sie die Kämpfe und das Leid geteilt hatten, wagten einige unter ihnen, Ansprüche zu stellen und von Gleichheit zu sprechen. Und so begann 1919 zum ersten Mal ein Geist der Emanzipation und der Anspruchshaltung zu wehen, der sich mit der Zeit auch in anderen Bevölkerungsschichten entwickelte.

Amadou Hampâté Bâ1, Amkoullel, l'enfant peul, Actes Sud, Paris, 2001.

1. Amadou Hampâté Bâ (1900-1991), Schriftsteller, in Mali geboren.

[S. 229, rechte Spalte]

[Postkarte, Schwarz-Weiß-Foto eines lächelnden afrikanischen Soldaten in französischer Uniform, der eine Pickelhaube in der rechten Hand neben die Brust hält und eine andere in der linken über seine Kopfbedeckung hält.]

[Text im Bild] Ruhm dem größten Frankreich

93A7 J.K.

[Bildunterschrift] b. „Ruhm dem größten Frankreich“ 5

Postkarte, ca. 1915.

[Fragen] Fragen

Analyse der Dokumente

Dok. 1 und 2: 1. Welche Formen nahm die Teilnahme der Kolonien am Konflikt an? 2. Was ist das Ziel von Dokument 1?

Dok. 3: 3. Wie veränderte der Erste Weltkrieg teilweise den Blick auf die kolonisierte Bevölkerung?

Dok. 4: 4. Wie ist der Erfolg der Rekrutierung zu erklären, die Blaise Diagne 1917 im Senegal durchführte? Ist die Mobilisierung von Kolonialtruppen auch immer leicht gewesen? 5. Was sind, nach Hampâté Bâ, die Auswirkungen des Krieges auf die afrikanische Bevölkerung?

[Aufgabe]

Systematische Antwort zum Thema

Verfassen Sie mit Hilfe der Dokumente und Ihrer Kenntnisse eine systematische Antwort zum Thema: „Wie veränderte der Erste Weltkrieg die Beziehungen zwischen Frankreich und seinem Reich?“

[1] Im Original ist hier von mobilisés , also den Mobilisierten die Rede; die ÜbersetzerInnen.

[2] Der senegalesische Politiker Blaise Adolphe Diagne (1872-1934) war der erste Schwarzafrikaner, der im Jahr 1914 in die französische Nationalversammlung gewählt wurde, um dort die damalige französische Kolonie Senegal zu vertreten. Vgl. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Blaise_Diagne (20.08.2018).

[3] Im Originaltext wird an dieser Stelle von accents , also Akzenten oder Tönen gesprochen; die ÜbersetzerInnen.

[4] Im Originaltext wird ein Begriff verwendet, der wörtlich mit „unter den Flaggen“ übersetzt werden kann und für den Einsatz im Militärdienst steht; die ÜbersetzerInnen.

[5] Mit der Bezeichnung ‚das größte Frankreich‘ ( la plus grande France ) ist das französische Kolonialreich gemeint; die ÜbersetzerInnen.

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