Source

Bibliographic data

Mason, James K.: Experience of nationhood. McGraw-Hill Book Co., 4th ed. [4. Aufl.], 2002, 40–42.

"Aborigine-Australier"


[S. 40]

ABORIGINE-AUSTRALIER

EINLEITENDE FRAGE

Wie wurden australische Aborigines in den Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs von weißen Australiern behandelt?

Die australischen Aborigines waren nicht nur die ersten Besatzer des Kontinents; sie lebten hier mindestens 50.000 Jahre, wahrscheinlich sogar länger – eine Lebensdauer von mehr als 2000 Generationen. Verglichen mit den gerade einmal 200 Jahren der weißen Besetzung – nur 8 Generationen – ist der Unterschied riesig.

Man schätzt, dass, als die weiße Besiedlung in Australien 1788 begann, dort 300.000 Aborigines lebten, unterteilt in mindestens 500 Gruppen, oder Stämme, mit reichen kulturellen Traditionen und vielen Sprachen und Dialekten. Sie waren Menschen mit einer engen Verbindung zum Land und über das Land unterhielten sie auch Beziehungen zu den Ahnengeistern der Aborigines. Das Land war heilig, und für zehntausende Jahre lebten sie in Harmonie mit dem Land. 1901, zur Zeit des Bündnisses, war die Zahl der Aborigines in Australien bis auf 60.000 gefallen. Die Stammesgruppen waren fast alle auseinandergebrochen und die kulturellen Traditionen der Menschen gingen schnell zurück.

Die Aborigines kamen nicht mit dem Beginnen der weißen Siedlungsbestrebungen auf dem Kontinent zurecht. Sie verloren zunehmend ihr traditionelles Land und fielen Ausnutzung, Gewalt und Krankheiten zum Opfer. Durch ihre Enteignung wurden sie abhängig von Weißen. Ihre Arbeitsleistung wurde ausgenutzt, viele Familien zerbrachen und tausende Aborigines überlebten durch Almosen. In jeder Hinsicht wurde Aborigines der Schutz vorenthalten, den weiße Australier genossen, da sie als eine minderwertige Rasse a angesehen wurden.

Die australische Verfassung von 1901 erwähnte Aborigines nur zweimal und beide Male mit dem Ziel, sie von der Beteiligung am Leben der neuen Nation auszuschließen. Abschnitt 127

[S. 41]

der Verfassung besagte, dass bei der Erfassung der Menschen im Commonwealth Aborigines nicht einbezogen werden sollten. Aborigines wurden nicht als Australier angesehen. Abschnitt 51 gab der föderalen Regierung die Macht, Gesetze über ‚die Menschen jeder Rasse in jedem Staat zu erlassen, außer über die Aborigine-Rasse. Mit Ausnahme der Aborigines, die in australischen Gebieten lebten, wie im Northern Territory, b war das Wohlergehen der Aborigines eine Angelegenheit des Staates. Diese beiden Abschnitte der ursprünglichen Verfassung wurden 1967 in einem Referendum entfernt (siehe Seite 237).

QUELLE 1.50

Auszug aus einem 1930er Jahre Schulbuch

Wenn Menschen über die Geschichte Australiens sprechen, dann meinen sie die Geschichte der weißen Menschen, die in Australien gelebt haben. Es gibt einen guten Grund, warum wir diesen Begriff nicht ausdehnen sollten, um die Geschichte der dunkelhäutigen Wanderstämme einzuschließen, die in ihrem Mutterland lange Zeit vor der Ankunft der ersten Eindringlinge aus Europa Boomerangs warfen und Schlange aßen. W Murdock, The Making of Australia, Whitcomb & Tombs, Melbourne, 1930.

  • Wann begann, diesem Auszug zufolge, die australische Geschichte?
  • Erkläre warum Kommentare wie dieser in Schulbüchern 1930 akzeptiert wurden.
  • Erkläre was an dem Wort ‚Eindringlinge’ in diesem Auszug ungewöhnlich ist.

Gemäß der Verfassung wurde das Recht, in den föderalen Wahlen zu wählen, jedem gewährt, der ein Wahlrecht in den Staaten hatte. Aborigines hatten in New South Wales, Victoria, Tasmanien und South Australia das Recht zu wählen, aber kein Wahlrecht in Queensland und Western Australia. 1902, als das Parlament von Australien die Verordnung zu Wahlen im Commonwealth c debattierte, die dazu diente, Frauen und australischen Aborigines ein Wahlrecht zu gewähren, erhielten Frauen dieses, Aborigines aber nicht. Abschnitt 41 der Anornung verweigerte ‚indigenen Aborigines aus Australien, Afrika und den Pazifikinseln, mit Ausnahme von Neuseeland‘ das Recht zu wählen. Der Sydney Morning Herald gab 1902 die Gefühle vieler wieder als er schrieb: ‚Den Aborigines das Wahlrecht zu gewähren ist wie das Verleihen eines kurzlebigen Privilegs an eine aussterbende Rasse‘.

[Ein Haus in australischem Baustil, (natürliche Baumaterialien, hauptsächlich aus Holz, auf kurzen Stelzen, wahrscheinlich nur ein Innenraum, eine Türöffnung, zwei Fenstern links und rechts mit Gardinen, eine kleine, kurze Holzleiter als Treppe), mit einer Aborigine-Familie davor, Frau und Mann links neben der Tür, ein Mädchen und ein Mann mit einem Gewehr rechts davon, davor ein Pferd mit einem kleinen Mädchen darauf]

SOURCE 1.51 Eine Aborigine-Familie vor ihrem Haus, 1910
Abbildungsnummer: 5921 Mit Erlaubnis der National Library of Australia

[S. 42]

SOZIALDARWINISMUS

Im letzten Jahrhundert und sogar bis ins 20. Jahrhundert glaubten viele weiße Australier, dass Aborigines eine aussterbende Rasse seien. Diese Idee entstammte dem Glauben, dass die weiße Rasse in gewisser Weise überlegen sei. Die Theorie der natürlichen Auslese und des Überlebens des Stärksten in der Natur in Charles Darwins berühmtem Buch Über die Entstehung der Arten d (1859) überzeugte viele von der Idee eines Sozialen Darwinismus‘ – dass das gleiche Konzept auch auf Rassen übertragen werden könne. Viele weiße Australier sahen die Aborigines als Teil einer primitiven Rasse. Zu Zeiten der großen Ignoranz und der Antipathie war es leicht, das rassistische Argument zu akzeptieren, sie seien eine Rasse, die dazu verdammt sei, auszusterben.

[a] Der Begriff Rasse bezieht sich auf die englische Bezeichnung race , im Original. Im angloamerikanischen Raum verweist er auf einen anderen Diskurs als der deutsche Rasse-Begriff, daher ist die Verwendung von race nicht in der gleichen Weise tabuisiert wie der deutsche Begriff Rasse ; die Redaktion.

[b] Das Northern Territory ist ein nordaustralisches Bundesterritorium; die Redaktion.

[c] Im Original: Commonwealth Franchise Act ; die ÜbersetzerInnen.

[d] Im Original: On the Origins of Species ; die ÜbersetzerInnen.

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